Kötter: „Kein böses Erwachen für Wölfersheim“
Solide Finanzen sind eine wichtige Grundlage erfolgreicher Kommunalpolitik. Als eine von nur noch sehr wenigen Kommunen in Hessen konnte Wölfersheim im Jahr 2010 einen ausgeglichenen Haushalt auf die Beine stellen, und auch für 2011 hat Bürgermeister Rouven Kötter einen ausgeglichenen Haushalt angekündigt. Dennoch nutzte der Wölfersheimer Rathauschef die jüngste Gemeindevertretersitzung, um über die neue Konsolidierungsleitlinie des Hessischen Innenministeriums zu berichten. Diese ist für die Gemeinde Wölfersheim momentan nicht relevant. Lediglich Kommunen mit defizitären Haushalten müssen parallel zu ihrem Haushaltsplan ein Haushaltssicherungskonzept bei der Genehmigungsbehörde einreichen. In diesem Konsolidierungsplan sind die entsprechenden Leitlinien des Innenministeriums zu berücksichtigen. „Es ist wichtig, dass wir uns in einer Position der Stärke bereits mit möglichen Maßnahmen für schwächere, schwierigere Zeiten beschäftigen.“ so Kötter. In seinem Bericht ging er daher auf die vom Innenministerium vorgeschlagenen Punkte ein und erläuterte, inwiefern diese für die Gemeinde Wölfersheim Auswirkungen haben oder bereits berücksichtigt werden.
Ein Punkt zum Sparen ist laut Innenministerium der Personalbereich. Hier sollen Stellenbesetzungssperren, Beförderungssperren und weitere Kostenreduzierungsmaßnahmen genutzt werden. Hier betonte der Rathauschef, dass man in Wölfersheim im Bereich der Personalkosten kaum weiteren Kostensenkungsspielraum sehe. „Betrachtet man die Personalkosten der Gemeinde Wölfersheim, dann kann man feststellen, dass wir hier keinen aufgeblähten Verwaltungsapparat vorhalten. Gerade auch in Bezug auf unser Investitionsvolumen und die Leistungen, die wir erbringen, ist unser Personalschlüssel eher gering.“ Auch bei den Investitionsmaßnahmen berücksichtige man eine wichtige Leitlinie des Innenministeriums bereits. „Das Ministerium empfiehlt, die Anschaffungs- und Herstellungs- sowie Folgekosten bei Investitionsmaßnahmen besonders im Auge zu haben. Das ist für uns bereits jetzt eine Selbstverständlichkeit.“ Allerdings sei gerade im Investitionsbereich durchaus Einsparpotential. „Die Gemeinde Wölfersheim betreibt eine mutige zukunftsweisende Investitionspolitik, hat dabei jedoch stets Kosten und Ertrag im Auge. Wir planen keine Luftschlösser, sondern investieren solide in die Zukunft. Dies führt dazu, dass wir wichtige Infrastrukturmaßnahmen und Einrichtungen vorhalten und dass wir als attraktiver Wohn- und Wirtschaftsstandort wahrgenommen werden. Sollten wir jedoch in die Lage eines defizitären Haushaltes kommen, dann müssten gewisse Investitionen verstärkt hinterfragt werden.“
Ein komplett zu vernachlässigender Punkt ist die Nettoneuverschuldung, denn dieser wird von der Gemeinde Wölfersheim bereits seit 2008 komplett erfüllt. Die Gemeinde Wölfersheim nimmt keine neuen Schulden auf, im Gegenteil: Wölfersheim ist seit 2008 frei von Kreditmarktschulden. Es werden lediglich Komplementärfinanzierungen aus Förderprogrammen genutzt.
Anders sieht es im Bereich der freiwilligen Leistungen aus. Hier empfiehlt das Innenministerium den Kommunen mit defizitärer Haushaltswirtschaft, die freiwilligen Aufwendungen auf einen Umfang zu begrenzen, der mit Blick auf das Defizit vertretbar erscheint. In diesem Zusammenhang betont Kötter, dass das Innenministerium den Kommunen durchaus auch im defizitären Haushalt einen gewissen Spielraum einräumt. Allerdings müsse man sich dann intensiv mit der Notwendigkeit freiwilliger Aufgaben beschäftigen. Im Einzelfall müsste politisch entschieden werden, welche Maßnahmen zurückzuführen sind und welche fortgeführt werden können.
Bei den Gebühren und Beiträgen dürfen in den klassischen Gebührenhaushalten, d.h. Wasser, Abwasser, Abfall und Bestattungswesen, grundsätzlich keine Unterdeckungen entstehen, wenn man einen unausgeglichenen Haushalt hat. In diesem Zusammenhang erinnerte Kötter an die in der Gemeinde Wölfersheim jährlich durchgeführten moderaten Gebührenerhöhungen, beispielsweise im Bestattungswesen. Dadurch erreiche man, dass nicht auf einen Schlag um große Summen erhöht werden muss. Allerdings ist man gerade im Bereich der Bestattungen, aber auch bei anderen Gebührenhaushalten, weit von einem ausgeglichenen Haushalt entfernt. Die Gebühren, die hier erhoben werden, reichen nicht zur Deckung der Kosten aus. Genauso sieht es auch im Kindergartenbereich aus. Auch hier pflegt die Gemeinde Wölfersheim eine jährliche 2%ige Steigerung der Kindergartengebühren, um allgemeine Preissteigerungen und Lohnerhöhungen zumindest teilweise abzufangen. Diese moderate Erhöhung reicht jedoch keineswegs aus, um das Defizit im Kindergartenbereich zu decken. Das geschätzte Defizit für 2010 liegt laut Bürgermeister Kötter bei 1,3 Mio. Euro im Bereich der Kindergärten. Das heißt, für jeden Euro, den die Eltern an Gebühren zahlen, wird aus allgemeinen Steuermitteln nochmals 2 Euro oben draufgelegt. Für die finanziellen Belastungen der Eltern sieht Kötter jedoch eine Schmerzgrenze erreicht. „Unsere Kindergärten leisten sehr gute Arbeit, und wir sind personell bestens besetzt. Das neue, flexible Kindergartenangebot wird von den Eltern hervorragend angenommen. Es ist nicht möglich, den Bereich Kindergärten kostendeckend zu betreiben. Auch unser Defizit von 1,3 Mio. Euro wird wohl nicht mehr niedriger werden. Die moderate jährliche Steigerung der Elternbeiträge um 2 % fängt die allgemeinen Kostensteigerungen, die wir seitens der Gemeinde haben, nicht auf. Das heißt, das Defizit wird jährlich anwachsen. Es ist jedoch fair den Eltern gegenüber die Gebühren jährlich in kleinen Schritten anzupassen, anstatt alle 10 Jahre mit umfassenden und großen Erhöhungen zu kommen.“
In diesem Zusammenhang erlaubte sich Kötter auch einen kurzen Exkurs in die Bundes- und Landespolitik. Er forderte hier von den zuständigen Politikern eine landesweite oder bundesweite Regelung zur kompletten Kostenfreistellung von Kindergärten. „Ich kann nicht verstehen, dass wir permanent über kostenlose Bildung für alle diskutieren, dabei aber den Bereich aussparen, in dem Kinder am meisten lernen können, nämlich im Kindergarten. Wir diskutieren stets über kostenfreie Schulen und kostenfreies Studium, aber der Kindergarten als enorm wichtige Bildungseinrichtung bei dieser Diskussion ist kaum berücksichtigt. Ich appelliere hier an die zuständigen Politiker in Bund und Land, eine einheitliche Lösung zu erarbeiten. Diese Lösung kann jedoch nicht so aussehen, dass die Kindergartengebühren zu Lasten der Kommunen abgeschafft werden. Das wäre nicht tragbar. Schon unser jetziges Defizit im Kindergartenbereich führt uns an unsere Belastungsgrenze.“ so Kötter.
Auch im Bereich der Steuerhebesätze müsste die Gemeinde im Falle eines unausgeglichenen Haushaltes anpassen. Sowohl bei der Grundsteuer A für unbebaute Grundstücke als auch bei der Grundsteuer B für bebaute Grundstücke und der Gewerbesteuer liegt die Gemeinde Wölfersheim unter dem Landesdurchschnitt. Das heißt, die Wölfersheimer Bürger und Gewerbetreibenden zahlen weniger Steuern, als der Landesdurchschnitt. Hier sieht die Leitlinie des Hessischen Innenministeriums klar vor, dass man im Falle eines defizitären Haushaltes die Steuersätze anheben müsste.
Die Organisationsstrukturen sind bei defizitärer Haushaltswirtschaft zu überprüfen mit dem Ziel der Steigerung der Effizienz bei der Aufgabenerfüllung. Auch die Möglichkeiten interkommunaler Zusammenarbeit sind zu intensivieren. Kötter betonte in diesem Zusammenhang, dass diese beiden Punkte für ihn wichtige Schwerpunkte in seiner Arbeit darstellen. Permanente Hinterfragung der Organisationsstrukturen in allen Bereichen der Gemeinde zur Steigerung der Effektivität und der Effizienz gehören für ihn zu den wichtigsten Aufgaben als Chef der Verwaltung. Auch sei Wölfersheim im Bereich der interkommunalen Zusammenarbeit bereits sehr aktiv. Er erinnerte hier an die Gemeinschaftskasse Wetterau, die Sozialstation Mittlere Wetterau, die Abwasserverbände oder auch an die Wetterauer Seenplatte. Kötter kündigte jedoch an, dass es für ihn in den nächsten Jahren eine Hauptaufgabe sein wird, alle Bereiche der Gemeinde Wölfersheim ohne Tabus auf ihre Tauglichkeit zur interkommunalen Zusammenarbeit hin zu überprüfen. „Über die Ergebnisse werde ich zeitnah und regelmäßig berichten. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir den einen oder anderen Bereich finden werden, bei dem wir noch effektiver, kostengünstiger und besser mit Nachbarkommunen zusammenarbeiten können.“
Abschließend stellte Kötter fest, dass die Leitlinie des Hessischen Innenministeriums viele wichtige und gute Punkte beinhalte, an manchen Stellen jedoch über das Ziel hinausgehe. „Ich kann Ihnen versichern, dass wir seitens der Gemeindeverwaltung der Gemeinde Wölfersheim schon jetzt alle Aufgaben und die Art der Aufgabenstellung kritisch und konstruktiv hinterfragen. Es wird in Wölfersheim kein böses Erwachen geben, wenn irgendwann ein defizitärer Haushalt beschlossen werden müsste. Wir werden darauf vorbereitet sein und entsprechend reagieren. Vor allen Dingen werden wir auch weiterhin die Balance zwischen Kosteneinsparung und wichtigen sozialen gesellschaftlichen Leistungen im Auge behalten. Solide Finanzen sind ein wichtiger Grundbaustein für erfolgreiche Kommunalpolitik im Interesse der Menschen.“ so Kötter abschließend.