Vergeben aber nicht vergessen
Seit einigen Jahren schon besuchen polnische KZ-Überlebende die Singbergschule. In diesem Jahr fand erstmals eine öffentliche Infoveranstaltung statt, zu der einige Zuhörer in das Wölfersheimer Bürgerbüro kamen. Organisiert wurde der Abend in Zusammenarbeit mit dem Verein Zeichen der Hoffnung, der sich für eine gute Zusammenarbeit zwischen Polen und Deutschen einsetzt. In seiner Begrüßung ging Bürgermeister Rouven Kötter auf die Hintergründe des Abends ein. Im Vorfeld sei er darauf angesprochen worden, ob es denn wirklich noch sein muss, eine solche Veranstaltung zu realisieren. Er ging darauf ein, dass es bei dem Informationsabend nicht darum ginge, den Finger zu erheben und Schuldzuweisungen zu machen, sondern darum Aufklärungsarbeit zu leisten. "Was geschehen ist, darf nicht vergessen werden und soll uns alle zur Achtsamkeit ermahnen." so Kötter. Dem stimmten auch Jerzy Wójciewski und Eugeniusz Dabrowski aus Polen zu, für die Daria Schefczyk vom Verein Zeichen der Hoffnung übersetzte.
Jerzy Wójciewski engagierte sich nach dem Warschauer Aufstand im Widerstand, bis man ihn aufgriff, brutal verhörte und anschließend zuerst nach Pruszków und später Dachau verschleppte, wo er z.B. in Steinbrüchen arbeiten musste. Er gehörte zu den 1060 Männern, die von Daimler Benz für ihre Arbeiten ausgesucht wurden. Sie brachten sie nach Sandhofen bei Mannheim. Vom Lager bis zur Arbeit musste täglich ein sechs Kilometer langer Marsch zurück gelegt werden. Zu Essen hatten sie nur eine ungenießbare Brühe, weshalb er versuchte, sich etwas zu stehlen, was mit harten Stockhieben bestraft wurde. Später erkrankte Wójciewski an Typhus und litt unter starkem Untergewicht. Nach seiner Befreiung kehrte er nach Warschau zurück und half, seine Heimat neu aufzubauen.
Eugeniusz Dabrowski, ist etwas jünger als Wójciewski und erlebte die Zeit der deutschen Besatzung. Er wurde 1928 geboren und war zum Ausbruch des Krieges gerade 6 Jahre alt. Insgesamt neun Monate war er mit seiner Familie in Auschwitz inhaftiert, außerdem in Dachau und Netzweiler. Nur durch einen Trick konnte Dabrowskis Vater verhindern, dass sein Sohn verschleppt und "germanisiert" wurde. Auch er berichtete von den kräftezehrenden Zuständen in den Konzentrationslagern. Was ihm angetan wurde hat er vergeben, aber nicht vergessen.
In der anschließenden Fragerunde konnten die Besucher ihre Fragen stellen. Die Fragen reichten dabei von den persönlichen Gründen, sich für den Austausch einzusetzen, bis hin zum aktuellen politischen Geschehen. Sie sind die letzten Überlebenden, die von der Terrorherrschaft persönlich berichten können. Sie sehen es als ihre Mission, dass vor allem Jüngere die Chance nutzen können, aus dem Mund direkt Betroffener die historische Wahrheit über die Geschichte ihres Leids zu erfahren, denn die Zeit zum Nachfragen läuft ab.
Zum Abschluss bedankte sich Bürgermeister Rouven Kötter bei den beiden Gästen, der ehemaligen Lehrerin Adelheit Müller, die den Besuch initiiert hat, und Daria Schefczyk für die umfangreiche Übersetzung. "Die Gräueltaten der Vergangenheit sollten uns allen eine Mahnung sein, dass so etwas nie wieder passiert. Dafür müssen wir uns alle einsetzen, auch wenn es manchmal anstrengend ist." so Kötter.