Seestraße: Verkehrsrecht ist kein Wunschkonzert
Was ist nötig, damit auf einer Bundesstraße ein nächtliches Tempolimit eingerichtet werden kann? Man stellt es sich oft einfach vor: Drei oder vier Schilder werden aufgestellt, und schon darf man nur noch 30 km/h fahren. So leicht ist es aber nicht, denn wenn es um Verkehr geht, haben einige mitzureden und manche Behördenmühlen mahlen langsamer als der Gemeindeverwaltung vor Ort oftmals Recht ist. Stimmt eine zuständige Stelle zu, dann finden zwei weitere Stellen Gründe dagegen. Verkehrsrecht ist sicherlich kein Wunschkonzert, sondern äußerst komplex. Es gibt viele Beispiele, wo seitens der Gemeinde Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit beantragt wurden, die dann an übergeordneten Behörden scheiterten. Steinfurther Weg, Wohnbacher Ortseingang, Wohnbacher Straße in Wölfersheim und vieles mehr, die Liste ist lang. Auch die Seestraße sorgt für Sorgenfalten auf Bürgermeister Rouven Kötters Gesicht. Im Jahr 2011 beantragte die Gemeinde für die Ortsdurchfahrt der B455 ein LKW-Nachtfahrverbot und eine generelle Geschwindigkeitsbeschränkung von 22.00 bis 6.00 Uhr. Grund hierfür waren Beschwerden von Anwohnern über Lärm durch zunehmenden nächtlichen LKW-Verkehr. Das Nachtfahrverbot wurde im Februar 2011 bei der Straßenverkehrsbehörde des Wetteraukreises beantragt. Als Umleitungsstrecke schlug man die A45 und A5 vor. Kurz darauf wurden die entsprechenden Anträge beim Regierungspräsidium Darmstadt gestellt, die auch das nächtliche Tempolimit enthielten. Nach der Erörterung mit Wetteraukreis, Hessen Mobil und Polizei wurde die Entscheidung allerdings vertagt. Die notwendigen Verkehrszählungen fehlten. So wurden an drei Terminen in den Jahren 2011 und 2012 jeweils über etwa eine Woche Verkehrszählungen durchgeführt. Wegen der Bauarbeiten konnte Hessen-Mobil allerdings die weiteren erforderlichen Untersuchungen nicht durchführen. Nun hätte man diese auch direkt nach der Fertigstellung der Straße durchführen können, aber so einfach war es dann doch nicht. Da sich die Situation durch den Kreisverkehr und die neue Fahrbahndecke geändert hat, mussten erneute Verkehrszählungen vorgenommen werden. Diese konnten allerdings nicht sofort vorgenommen werden, weil der Verkehr sich erst an die neue Situation gewöhnen muss. Auf Grundlage der neuen Daten wurde dann von Hessen-Mobil eine „schalltechnische Berechnung“ vorgenommen. Sie war die Basis für weitere Schritte der übergeordneten Behörden.
Nach vier Jahren hat das Regierungspräsidium die Straßenverkehrsbehörde des Wetteraukreises im Februar 2015 gebeten, das nächtliche Tempolimit anzuordnen. Nach dem Lärmaktionsplan des Landes kann auf der Bundesstraße 455 nun ein Tempolimit eingerichtet werden. Doch die Geschichte um die Verkehrsberuhigung findet kein Ende. Leider hat die zuständige Straßenverkehrsbehörde des Wetteraukreises die eindeutige Empfehlung des Landes nicht direkt umgesetzt, sondern zunächst eine erneute Prüfung des Sachverhaltes vorgenommen. Man kam zu dem Ergebnis, dass die nächtliche Begrenzung auf Tempo 30 auf der Seestraße nicht umgesetzt werden sollte. Dies wurde damit begründet, dass sich die Betroffenheit nur auf 10 Gebäude zwischen Kreisverkehr und der Einmündung Friedensstraße beziehe, von denen die Mehrzahl vor mehr als 30 Jahren bereits passiven Lärmschutz erhielten. Die Verhältnismäßigkeit sei daher nicht gewahrt, und es handele sich zumindest teilweise um eine Doppelmaßnahme. Der Gemeindevorstand hat dieser Abwägung deutlich widersprochen und eine Umsetzung der Empfehlung des Lärmaktionsplanes des Landes Hessen gefordert, also eine unverzügliche Anordnung von nächtlichem Tempo 30 für die Seestraße. Es fanden hierzu auch Gespräche im Landratsamt des Wetteraukreises statt, um eine rechtskonforme, anwohnerfreundliche Lösung zu finden. Leider führten diese Gespräche zu keinem Erfolg.
Wer denkt, das Thema sei damit abgeschlossen, der irrt. „Bei solchen Angelegenheiten braucht man einen langen Atem! Da hilft nur immer wieder nachfragen und bohren.“ berichtet der im Rathaus zuständige Fachbereichsleiter Thorsten Höhne. Das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Energie und Landesentwicklung hat mit einem Erlass die Lärmschutzwerte neu definiert und herabgesetzt. Daraufhin prüfte die Straßenverkehrsbehörde des Wetteraukreies erneut. Diese führte zu dem Ergebnis, dass eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h nachts für Lkw aus Lärmschutzgründen eingerichtet werden könnte. Gute Nachrichten, dachte man sich im Wölfersheimer Rathaus, doch man freute sich zu früh, denn der oben genannte Erlass wurde später als nicht rechtskonform gewertet und zurückgezogen. Daher sind die bisherigen Richtwerte anzuwenden. Demnach ist laut Auskunft der Straßenverkehrsbehörde des Wetteraukreises eine entsprechende Anordnung für die Ortsdurchfahrt Wölfersheim nicht möglich.
Aus Sicht des Gemeindevorstandes wäre es bei gutem Willen durchaus möglich und auch rechtlich vertretbar, der Empfehlung des Lärmaktionsplanes des Landes zu folgen und ein nächtliches Tempolimit auf der Seestraße auszuweisen. Dies würde bei entsprechenden Kontrollen zu einer Reduzierung des Lärmes, insbesondere durch LKW, führen und die betroffenen Anwohner daher spürbar entlasten. Leider teilt die Straßenverkehrsbehörde des Wetteraukreises diese Sicht offensichtlich (momentan noch) nicht. Der Gemeindevorstand wird seine diesbezüglichen Bemühungen jedoch nicht einstellen. „Ich hoffe, dass dieses Tempolimit im Sinne der Anwohner bald endlich eingerichtet werden kann. Wir werden uns weiterhin für eine Verkehrsberuhigung einsetzen und hoffen, dass auch übergeordnete Behörden dies unterstützen werden. Für mich persönlich geht Verkehrssicherheit und Anwohnerruhe vor Verkehrsfluss und Geschwindigkeit. Dafür werden ich mich auch weiterhin stark machen.“ so Bürgermeister Rouven Kötter.