Kulturelle Höhepunkte bei Wölfersheimer Kleinkunstwoche
Den Auftakt zur Kleinkunstwoche machte Dietrich Faber mit seinem Programm „Bröhmann - die Zugabe“. Der Gießener Kabarettist, Autor und Musiker sorgte mit seinem Programm für Furore vor ausverkauftem Haus. Selbst diejenigen, die seine Buchshows bisher nicht kannten, waren bereits zur Pause restlos begeistert.
Ausflug in die Welt der Märchen
Am Samstag war Kabarettistin Rena Schwarz zu Gast. „Prinzessin ist auch kein Traumjob“ heißt das zehnte Soloprogramm der gebürtigen Bielefelderin, die seit einigen Jahren in einem kleinen Spessartdorf an der hessischen Grenze eine neue Heimat gefunden hat. Mit ihrem Programm „Prinzessin ist auch kein Traumjob“ nahm sie die Zuhörer mit auf eine Reise in die Märchenwelt. Warum Mädchen so gern Prinzessin sein möchten? Rena Schwarz kann das nicht verstehen. Um das zu ändern, zeigt sie den Mädchen gerne ein Foto von Prinz Charles – und wenn das nicht genügt eins von seiner Camilla. Und damit hat sich die Sache. Die Schauspielerin, Komödiantin und Sängerin verstand es, das Publikum in ihr Programm miteinzubeziehen. Zum Beispiel beim Märchenraten, bei dem sich die Goldmünzen verdienen konnten. Rena Schwarz hat adelige Wurzeln und wuchs sogar in einem Schloss auf – „mein Vater war der Hausmeister“. In der Schule war sie deshalb immer die „Rena vom Schloss“. Das hat geprägt und so ziehen sich die Märchen bei ihr auf unterschiedlichste Weise durch ihr Leben. In Melbach vertonte sie unter anderem „Schneewittchen“ musikalisch und packte „Hänsel und Gretel“ in ein Singgedicht, bei dem das Publikum fleißig mitsingen durfte. Apropos „Hänsel und Gretel“. Das Märchen übertrug Rena Schwarz in die heutige Zeit. Statt „Hänsel und Gretel“ hießen die Kinder in ihrer Geschichte Jamie-Maurice und Jaqueline-Chantal. Sie leben in Hanau-Wolfgang, der Vater ist arbeitslos, die Stiefmutter Nageldesignerin. Und aus Geldnot werden sie im tiefen Wald des Frankfurter Rotlichtmilieus ausgesetzt. Die Zuschauer waren begeistert und so war es nicht verwunderlich, dass auch Schwarz mit Zugabe-Rufen belohnt wurde.
Heimspiel für Pucki
Erstmals vor einem größerem Publikum trat Karl Ernst „Pucki“ Pulkert am Dienstag mit seiner Lesung „Puckis Lesefresskorb“ auf. Lehrer, Musiker, Kommunalpolitiker - und Autor: vor zwei Jahren hat er sein erstes Buch veröffentlicht. „Der Lesefresskorb“ erzählt er von Elternsprechstunden und anderen Katastrophen. Gleich zu Beginn las er die Geschichte vom Elternsprechtag von Vanessa vor, deren Eltern sich wundern, dass die Tochter so schlechte Noten in Englisch hat, obwohl sie zu Weihnachten ein Vokabellernprogramm für den PC geschenkt bekommen hat, mit dem sie sich immer in ihrem Zimmer einschließt, damit sie beim Lernen nicht gestört wird. Er griff in seinen Geschichten jedoch auch ernste Themen auf und brachte die Zuschauer damit zum Nachdenken. Musikalisch umrahmt wurde die Lesung mit mehreren Musikstücken, bei denen er vom versierten Gitarristen Martin Strieder an der Gitarre begleitet wurde. Mit Djembe, Gitarre und Gesang sorgte er für begeisterten Applaus.
Paare erkennen sich in Stephan Bauers Programm
„Eine Frau mit fünf Kilogramm mehr auf den Hüften lebt länger als ein Mann, der es ihr gegenüber erwähnt“, scherzte Comedian Stephan Bauer, der in Bad Nauheim wohnt. Konflikte zwischen Mann und Frau, viele Klischees, aber auch gesellschaftskritische Ansätze und Korrektive zur Politik finden Platz in Stephan Bauers Bühnenprogramm „Vor der Ehe wollt’ ich ewig leben“, mit dem er am Mittwoch zu Gast im Dorfgemeinschaftshaus Melbach war. Über zwei Stunden hinweg unterhielt Bauer das Publikum mit einer kurzweiligen Aneinanderreihung von Pointen über Sex, Partnerschaft, und Geschlechterrollen, die in einen erzählerischen Rahmen eingebettet waren. Regelmäßig bildete er den Kreis und kehrte zu seiner eingangs erwähnten, kriselnden Partnerschaft zurück. Seine Frau gehe nämlich gegenwärtig mit ihrem Fitnesstrainer fremd. Was könne er nur tun, um die Ehe doch noch zu retten? „Es liegt wohl an der Zeit, sagte meine Frau. Daraufhin habe ich sie abbestellt“, witzelte er in diesem Kontext. Anekdoten über Frauen, die mit der EC-Karte des Mannes in einen Kaufrausch geraten, gehören zu den Gags mit stereotypischen Rollenzuweisungen. Doch auch gesellschaftskritische Gedanken malt Bauer aus. Immer wieder wanderten die Blicke im Publikum zu den Partnerinnen und Partnern. Das Publikum fand sich selbst in Bauers Pointenreichen Programm wieder und so ist es nicht verwunderlich, dass die Stimmung zum Ende des Abends am Siedepunkt angelangt war und Bauer unter tosendem Applaus und Zugaberufen von den Zuschauern verabschiedet wurde.
Kurzweilig, spannend, mörderisch
Während der Kleinkunstwoche begrüßte Bürgermeister Eike See an jedem Abend die Besucher im Melbacher Dorfgemeinschaftshaus. Am Donnerstag fiel seine Begrüßung jedoch etwas anders aus. Er erzählte die Geschichte, als er und Daniel Holbe sich zufällig in einer Eisdiele trafen. Wenige Monate später konnte eine ausverkaufte Buchpremiere in Berstadt realisiert werden, die letzte Veranstaltung vor der Corona-Pandemie. Vor einigen Monaten traf man sich erneut zum Eisessen und entschied sich erneut eine Lesung durchzuführen. Bevor Holbe die Bühne betrat wurde der Abend musikalisch eingeleitet. Songwriter Frank Albersmann verstand es zum Beginn der Lesung und nach der Pause mit seinen deutschen Titeln zu begeistern. Seine Musik passte perfekt zum Abend. Textlich anspruchsvoll und etwas düster zog er das Publikum in seinen Bann, dass er mit seiner bekannten Neuinterpretation von „Fuchs du hast die Ganz gestohlen“ vollends begeistert hatte. Holbes Lesung war im wesentlichen in zwei Abschnitte unterteilt. In der ersten Hälfte las er aus seinem Krimi „Todesruf“, der von der Frankfurter Kommissarin Julia Durant handelt. Im zweiten Teil wurde es mit Strahlentod und dem Ermittlerduo Sabine Kaufmann und Ralph Angersbach etwas ländlicher. Immer wieder streute Holbe ein, was ihn zum Schreiben inspirierte und brachte das Publikum damit zum Schmunzeln. Während der Lesung ermöglichte Holbe umfassende Einblicke in seine Arbeit als Autor. Zugleich bot er spannende Auszüge aus seinem Buch. Wer wissen wollte, wie Ralph Angersbach den Fall mit seiner Kollegin Sabine Kaufmann löst, konnte direkt eines der Bücher vom Büchertisch erwerben, den die Gemeinde mit Unterstützung der Buchhandlung Bindernagel angeboten hatte. Nach der Lesung bestand die Möglichkeit, die neuen Bücher signieren zu lassen. Holbe nahm sich lange Zeit und tauschte sich dabei immer wieder mit den Besuchern aus. „Es war wieder ein toller und kurzweiliger Abend. Ich hoffe, dass wir ihn bald wiederholen können,“ zieht Bürgermeister Eike See Fazit.
Krönender Abschluss von Kleinkunstwoche und Gemeindejubiläum
Ihren Abschluss fand die Wölfersheimer Kleinkunstwoche und damit auch die Veranstaltungen im Rahmen des 50-jährigen Gemeindejubiläums mit einer Lesung von Herbert Meyer und Gerd Wächter. Seit inzwischen mehr als 10 Jahren finden die thematischen Lesungen der pensionierten Pädagogen statt, bei denen sie sich auch immer musikalische Unterstützung gesucht haben. Als einen „Höhepunkt der Kleinkunstwoche“ bezeichnete die Wetterauer Zeitung den rundum gelungenen Abend und das war es sicherlich auch. Vor ausverkauftem Haus mit vielen Gästen, die sich den beiden Rezitatoren seit ihrer eigenen Schulzeit verbunden fühlen, entfaltete das Duo die Bedeutung des Humors gerade in schweren, krisengeschüttelten Zeiten. Ihrer ganz aktuell zusammengestellten Lesung stellten sie das Wort des englischen Publizisten und Pädagogen Jean Paul (1763 bis 1826) voran: „Die Freude und das Lachen sind der Sommer des Lebens.“ Das anschließend entfaltete reichhaltige literarische Spektrum umfasste den Humor im Alltag, in der Liebe und im Beruf, den Humor des Kindes und des alternden Menschen, den schwarzen Humor und den bodenständigen Mutterwitz, natürlich auch in Wetterauer Mundart.
Zu Wort kamen mehr als 15 Autoren - von dem Friedberger Mundartdichter Wilhelm Konrad Philipps und dem mit dem Hessischen Literatur-Löwen ausgezeichneten WZ-Redakteur und Schriftsteller Jürgen Wagner über eher selten gehörten Verfassern wie den „Kohlenpottschreiber“ Fred Endrikat und dem bayerischen Dichter Fritz Müller-Partenkirchen bis hin zu Größen wie Wilhelm Busch, Kurt Tucholsky, Eugen Roth und Heinrich Böll. Nicht fehlen durfte bei diesem primär heiteren Thema der hintergründige Humor von Karl Valentin und Lisl Karlstadt, Ephraim Kishon (1924 bis 2005) und sein Kampf mit der „besten Ehefrau von allen“ sowie insgesamt drei Regenschirmen und die Altersweisheit eines Joachim „Blacky“ Fuchsberger, der als mutiger Kavalier vor den staunenden Augen der Grünwalder Damenwelt zu Boden geht. Neben dem freundlichen, gelegentlich barmherzigen Blick auf die Welt und die Mitmenschen standen vor allem alltägliche Missverständnisse im Stil der „Stillen Post“ im Zentrum, dazu die verblüffende Logik des Kindes und zuletzt, passend zum November, auch einschlägige humorvolle Worte für den eigenen Grabstein: „Hier liegen meine Gebeine - ich wollt’, es wären deine.“
Das opulente, knapp dreistündige Programm versprühte Witz und Mitmenschlichkeit, manchmal leise Melancholie, Freude an den kleinen Dingen und Demut. Zugleich offenbarte die Lesung die schauspielerischen und rhetorischen Qualitäten der beiden Pädagogen, die Beifallsstürme hervorriefen. Sensibel unterstützt wurden Meyer und Wächter von Stefan Bodem (Keyboard), Bettina Skottke (Gesang), Thomas Gerlach (Gitarre, Gesang), Andrea Reinelt (Gitarre), Katharina Bucher (Querflöte). Das Ensemble begleitete die Rezitatoren zum Teil mit klassischen instrumentalen Intermezzi, zum Teil mit intensiven Folk- und Popsongs von Hannes Wader bis Hubert von Goisern, Peter Maffay, Ina Deter und Ina Müller. Dabei ergänzten sich die Stimmen von Bettina Skottke und Thomas Gerlach perfekt in ihren jeweils sehr unterschiedlichen Soli. Bei „Wenn du so bist wie dein Lachen“ (Deter) und dem Nessaja-Song von Maffay wurde im Saal ebenso leise mitgesungen wie bei Waders „Heute hier, morgen dort“ über die Flüchtigkeit allen Seins, einschließlich einem Moment des Lachens.
Kunst auch abseits der Bühne
Wer das Dorfgemeinschaftshaus betrat, erkannte darin sicherlich kein übliches Bürgerhaus. Dietrich Faber bezeichnete es am Premierenabend liebevoll als „Kleinkunstzelt“. Neben den Künstlern auf der Bühne fanden auch andere lokale Künstler einen würdigen Ausstellungsrahmen. Großformatige Bilder des Wölfersheimer Künstlers Stefan Holland säumten die Wände des Dorfgemeinschaftshauses. Schon im Eingangsbereich wurde man von den „Säulen der Kunst“ der Wölfersheimer Künstlerpalette begrüßt. Die Mitglieder hatten verschiedene Säulen im Stil bekannter Künstlerinnen und Künster gestaltet. Nach der Ausstellung im Rahmen des Künstlermarktes rundeten Sie das Ambiente im Dorfgemeinschaftshaus ab. Gefördert wurde die Wölfersheimer Kleinkunstwoche im Rahmen des Programms zur Stärkung des ländlichen Raumes durch das Land Hessen. Zudem wurde der Druck des Programmheftes durch die Bäckerei Hinnerbäcker, die OVAG, Meisterwerk Augenoptik, das Zentrum für Bürotechnik, Getränke Schmidt, Metallbau Repp und Auto-Wetterau unterstützt.
„Damit eine Veranstaltung wie diese funktioniert, sind wir auf viele Helfer angewiesen. Ich danke allen, die dazu beigetragen haben die Kleinkunstwoche zu realisieren,“ so Bürgermeister Eike See. Neben seinem Team aus dem Rathaus lobte er auch Betriebshof und besonders Objektbetreuer Markus Marx. Die Bewirtung wurde durch den Verein Gemeinsam für Melbach und weitere ehrenamtliche Helfer realisiert. „Die Kleinkunstwoche und die Veranstaltungen anlässlich des Gemeindejubiläums waren ein voller Erfolg. Wir haben auch im nächsten Jahr zahlreiche Veranstaltungen geplant und ich bin mir sicher, dass dies nicht die letzte Kleinkunstwoche in Wölfersheim war,“ schließt Bürgermeister Eike See ab.