Kleinkunstwoche begeistert Besucher
Nach der Eröffnung der Kleinkunstwoche mit einer Lesung von Herber Meyer und Gerd Wächter und einem Auftritt von Comedian Sven Hieronymus am Montag, standen am Dienstag Markus Karger und Tine Lott auf der Bühne. „Ei bin ich dann schon widder zu spät?“, erklang eine Stimme aus dem Dunkel und unterbrach die Begrüßung von Bürgermeister Eike See. Das war Frau Kraft, die ihre Freundin Tine im Schlepptau hatte und die Bühne enterte, um sie dann gleich wieder zu verlassen. „Ich muss mich ja erst e mal ferdisch mache“, meinte die Landfrau im breitesten oberhessisch und überlies die Bühne zunächst der „Fraa Lott“, denn die beiden siezen sich, obwohl sie schon seit 15 Jahren immer wieder mal zusammen auftreten. So startete Tine Lott den Abend mit ihrem selbst geschriebenen Song „Das Paradies hat geschlossen“. Darin heißt es: „Es kommt keiner mehr rein, wir werden alle kleine Teufel sein.“ Das war schon verdammt teuflisch gut und ihr „Warm-up“ vervollständigte die Singer-Songwriterin, die durchaus kabarettistische Eigenschaften offenbarte, mit Hermann van Veens „Ich hab ein zärtliches Gefühl“ sowie mit Max Raabes „Guten Tag liebes Glück“.
„Ihr habt ja Glück, dass Ihr hier seid und wir auch“, nahm Frau Kraft den letzten Songtitel auf. Zuvor hatte Lott ihre „ziemlich beste Freundin“ mit dem von ihr textlich veränderten Klassiker „Butterfly“ begrüßt. „Die Fraa Lott traut sich was: Ein Lied über einen Schmetterling auf mich umzudichten“, meinte die gewichtige Landfrau, die sich 2022 vorgenommen hatte, zehn Kilo abzunehmen. „Da fehlen jetzt 15 Kilo“, erklärt sie. Mit solchen Logiken sorgt sie immer wieder für Lachsalven.
Locker erzählt die Landfrau von ihrem Leben, wobei Ehemann Ernst als „Der Ernst meines Lebens“ nicht immer ganz so gut wegkommt. Statt ihrer Silberhochzeit habe man fünf Jahre später den gemeinsamen „30-jährigen Krieg“ gefeiert, erklärt Frau Kraft den begeisterten Besuchern und ergänzt: „Ich frage mich, ob ich ihn mir noch mal ans Bein binden würde.“
Jedenfalls sei sie beim Kennenlernen ihres Ehemanns ein „Opfer ihrer Hormone“ geworden, bekennt die „Fleisch gewordene Ungeduld“, die keiner Süßigkeit widerstehen kann, trotz Diäten, Ernährungsumstellungen und dem Versuch, sich vegetarisch zu ernähren. „Ich habe nur noch Fleisch von Tieren gegessen, die sich vegetarisch ernähren“, erklärt sie und singt passend dazu zum Halbplayback „Aber bitte mit Sahne“, um dann gemeinsam mit Lott ihre Warnung vor zu viel Alkohol mit dem Nancy-Sinatra-und-Lee-Hazelwood-Duett „Summer- wine“ musikalisch zu untermauern.
Natürlich kommt auch das Thema „Sex“ bei Frau Kraft zur Sprache. Der Versuch ihres Ehemanns, das Sexleben durch den Kauf eines „Hauch von Nichts“ für seine Ehefrau anzukurbeln, endet in einem Desaster, bei dem so mancher und auch so manche im Saal Lachtränen vergießen. Und Tine Lott singt passend „Sex wird überschätzt - Lauch auch“.
Das so ungleiche und doch harmonische Duo läuft zur absoluten Hochform auf, Tine Lott kommt gegen Ende mit Hut, Tiger-Oberteil und Glitzerstiefel auf die Bühne, um zusammen mit Frau Kraft gleich zwei Songs von Hildegard Knef zu interpretieren. Da bekommt „Ich glaub ’ne Dame werd ich nie“ bei Frau Kraft alias Markus Karger eine ganz neue Bedeutung. Begeistert werden beide vom Publikum abgefeiert und die bedanken sich mit süßen Oldies wie „Sugar, Sugar“, „Sweet Caroline“ und „I’ve got you, Babe“, von Sonny & Cher. Ja, die beiden „Babes“ haben sich bekommen, und sie passen bestens zusammen.
Dietrich Faber begeistert mit
neuem Programm „POSITIV!“
Er hatte nicht nur sein Alter Ego Manni Kreutzer mitgebracht, sondern bevölkerte mit einer Vielzahl neuer Charaktere die Bühne: Kabarettist Dietrich Faber erntete mit seinem brandneuen Programm „Positiv!“ jede Menge Heiterkeit und begeisterten Applaus. Einige seiner Figuren, wie den beliebten Kriminalkommissar Hennig Bröhmann, hätte er zumindest zeitweise hinter sich gelassen, dafür neue an Bord, kündigte Faber zu Beginn der Show an.
Er entfaltete ein reiches Spektrum völlig unterschiedlicher Akteure in einer Person: Vom kleinen Mann auf der Straße und Otto Normalverbraucher, dessen Ehefrau Lieschen Müller mit Max Mustermann fremd geht, über den ewig gestrigen Macho im modernen Outfit, den klassisch ausgebildeten Pausensänger Guido Flamingo, die selbstlose und nervtötende Clownin „Hessi“ aus Grebenhain, ehemalige „Miss Oberhessen 50plus“, bis hin zum vornehm näselnden Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Letztgenannter prophezeite, Studien aus Harvard ließen die Vermutung zu, dass die Menschheit 2033 um ein Jahrzehnt älter sein werde - aber bis zu dieser Ansage lag das Publikum vor Lachen ohnehin längst am Boden.
Mittendrin: Die Vogelsberger Antwort auf Johnny Cash - Manni Kreutzer. Zur Freude aller gehörte der „Superstar im Bereich oberhessische Country-Musik“ nicht zu den verabschiedeten Faber-Figuren, sondern drängte sich auch diesmal wieder ins Programm des Originals und verkündete seine eigenen Weisheiten in Form von „Mannizismen“ auf der Basis des römischen Stoizismus. Unter der Überschrift „Von der Kindheit“ fand sich da der weise Spruch: „Kaum wird man in die Welt geboren, hat man schon verloren - von der Zeit, die einem noch bleibt, von der Kindheit.“
Auch über die Natur, die Freiheit und das Glück philosophierte der Gitarre spielende Cowboy mit dem treuherzigen Blick, gegen Ende der Show auch über den Frieden: „Ich kenn’ mich jetzt mit Panzern aus - was’n Graus!“ Dazwischen brach Faber eine Lanze für das Leben auf dem Land mit einem intakten, von allen beschützten Zusammenleben der Generationen, Respekt und Nachsicht, der Fähigkeit zur Dankbarkeit und zur Versöhnung: „Das Normale und das Durchschnittliche wird abgewertet. Ein Hoch auf das Mittelmaß! Wir entfernen uns von uns selbst und unserer Mitte, um dann verzweifelt im Yoga-Retreat wieder danach zu suchen“, sagte der Kabarettist eindringlich und mit einem scharfen Blick auf die Tendenz permanenter (Selbst-)Überforderung ab der Kita bis ins Altersheim. Ebendort machte „Miss Mittelhessen 50plus“ als Clownin „Tante Trulla“ den genervten Senioren ihre Aufwartung, um sich kurz darauf als Schlagersänger „auf der Stromtrasse der Liebe“ wiederzufinden, dies unter dem energiebewussten Motto „Lass mich dein Fossil sein“. Nicht zuletzt gab Faber authentische Einblicke in die Nöte der Schreibblockade und gelangte schließlich, ganz im Sinne Mahatma Gandhis, zur Erkenntnis, wie wichtig es sei, selbst die Veränderung umzusetzen, die man sich von der Welt wünsche. Erinnerungen an die Corona-Zeit standen am Schluss der Show, „damals, als ›positiv‹ Negatives bedeutet, die ersten Masken aus Topflappen mit Gummizug bestanden und man vor lauter Distanzmarkierungen den Weg zum Supermarkt nicht mehr fand“.
Ausverkauftes Haus bei
Stephan Bauer
Humor gab es dann auch reichlich beim neuen Programm von Stephan Bauer „Ehepaare kommen in den Himmel – in der Hölle waren sie schon“. Bereits im vergangenen Jahr begeisterte Bauer im Rahmen der Kleinkunstwoche und so war es nicht verwunderlich, dass der Abend schnell ausverkauft war. Zwei Stunden lang gab es nonstop jede Menge zu lachen und tiefe Einblicke des Kabarettisten in die mitunter doch recht schwierige Konstellation Mann/Frau. Gleich zu Beginn beklagte er sein Leid, dass nach mehr als zehn Jahren Ehe bei ihm daheim im Schlafzimmer die Luft raus sei. Im Laufe der Jahre habe sich sein Sexualleben entwickelt wie die Markengeschichte von Coca Cola, „erst normal, dann light, jetzt zero“. Die Coronakrise habe auch keine Verbesserung gebracht, sondern sei vielmehr eine Belastung für jede Ehe. Seine Beziehung hätte in der Zeit des Lockdowns nur drei Dinge zusammengehalten: Riesling, Chianti und Sauvignon. Überhaupt sieht Stephan Bauer die Ehe als GmbH, weil es immer nur heiße, „geh mal, mach mal, bring mal, hol mal“.
Um die Ursachen des Dilemmas zu erforschen, untersucht der Kabarettist in seinem Programm die Unterschiede zwischen Mann und Frau, fragt sich, „was ist typisch männlich, was weiblich?“. Männer, stellt er fest, hätten beispielsweise weniger Empathie als Frauen, dafür aber viel mehr Spaß, weil ihnen nichts peinlich ist. Frauen seien überlegen im Bereich der Sprache. Seine Gattin beispielsweise könne auf die Zeugen Jehovas an der Haustür so lange einreden, bis die am Ende Buddhisten sind und sogar noch den Müll mitnehmen. Männer würden außerdem immer in Konkurrenzkategorien denken, sprich, wer hat das größte Auto, die tollste Frau? Echte Männer, so Stephan Bauer, brauchen keinen Regenschirm: „Sie stellen sich dem Wetter, kriegen einen Schnupfen und sterben daran.“ Und was die Ehe an sich angeht: „Ein Mann ist unvollständig, solange er nicht geheiratet hat. Erst danach ist er so richtig fertig.“
Mit dem neuerdings so beliebten Gendern hat der Kabarettist so seine Probleme. Er verstehe, dass Frauen sprachlich sichtbarer gemacht werden sollen. „Aber hat sich schon jemals ein Mann beschwert, weil er ‚die‘ Geisel war?“. Dürfen wir in Zukunft den Salzstreuer noch so nennen, auch wenn ihn eine Frau benutzt, oder ist er dann eine „Salzstreuerin“, und bekommen Frauen nach dem Sport eine „Muskelkatze“? Für solche neuen Begriffe sei ihm die schöne deutsche Sprache dann doch viel zu schade. Bei all den Überlegungen und Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern, meinte der Kabarettist abschließend: „Mit Humor kann man viel bewegen und wieder Spaß haben im Leben.“ Großen Spaß hatten auch die Zuhörer im Saal, die Tränen lachten und Stephan Bauer begeistert mit Applaus für den gelungenen Abend dankten.
Gelungener Abschluss
mit Martin Guth
Mit Kabarettist Martin Guth war es einmal mehr ein nicht nur regional bestens bekannter Künstler, der mit seinem Highlight-Programm „Das Beste vom Guthen“ das Publikum ein ums andere Mal begeisterte. Der bekennende Butzbacher, der bis 2013 Teil des preisgekrönten Kabarett-Duos „FaberhaftGuth“ war, ist hauptberuflich als Leiter des Niddaer Kulturamts tätig. „Wölfersheim liegt ungefähr in der Mitte zwischen Butzbach und Nidda, besser geht’s nicht“, meinte der 53-Jährige zum Auftakt seines Programms, bei dem er von Singer-Songwriter Johannes Napp begleitet wurde.
Der exzellente Gitarrist und Songschreiber ist allerdings weit mehr als ein musikalischer Begleiter Guths. Er kommentierte hin und wieder Guths Ausführungen samt passenden Gesten und überzeugte im Verlauf des Abends mit mehreren eigenen Songs. „Diese Arbeitskraft habe ich beim Jobcenter Butzbach-Ost entdeckt“, scherzte Guth über seinen Begleiter und bedauerte, dass er die Kleinkunstwoche beschließen muss. „Da sind doch alle Gags schon gemacht, außer die über Nagelsmann“, meinte der Bayern-Fan über die aktuelle Trainerentlassung bei seinem Lieblingsverein.
Das war so recht nach dem Geschmack der Besucher, die bei Guths buntem Mix aus Stand-up-Kabarett, Erzählungen, satirischen Lesungen und Musik begeistert mitgingen. Das Multitalent blödelt, singt und liest über zwei Stunden, erfreulicherweise nie unter der Gürtellinie, auch wenn es um Probleme in der Ehe geht. Die kommen dem ein oder anderen durchaus bekannt vor, so wie die Geschichten aus Guths Buch „Meine Frau, ihr Mann und ich.“ Da gönnt der alleinerziehende Vater seinen beiden Töchtern einen „Bestimmertag“ und die bestimmen, zum verkaufsoffenen Sonntag vor Ostern auf die Zeil zu gehen, was für den total gestressten und völlig überforderten Vater zum Horror-Trip wird.
Auch mit der Jugendsprache hat der Kabarettist so seine Probleme und wünscht sich „alte deutsche Worte“ (Guth) wie „Schlachtenbummler“ oder „Fete“ zurück, was er mit seinem Song: »Wo seid ihr hin« auch musikalisch zum Ausdruck bringt. Und da seine Tochter bekundet, sie sei „mies gut drauf“, fragt er sich schon, warum 4/5 der Familie, die in einer Doppelhaushälfte im Stadtviertel lebt und die Kinder der kleinste gemeinsamen Nenner seien. Familie als mathematische Gleichung - die Besucher kommen aus dem Lachen nicht mehr heraus.
Gleiches gilt für die nervigen Warum-Fragen der Kinder oder für die „Pointen“, die Guth immer wieder in Tageszeitungen findet, wie „Nur noch ein Urnengrab frei“ oder dem Dreher „Frau rannte brennend aus der Wohnung.“ Da könne auch der „Weinsomalier“ nicht helfen. Es sind die Dinge des täglichen Lebens, die Guth aufnimmt, und die er etliche Jahre auch in thematisierte. Daraus sind zwei Bücher geworden, aus denen Guth mehrere satirische Kurzgeschichten zum Besten gibt.
Schließlich outet er sich als echter Hesse, singt zum Finale zusammen mit Napp seine Hymne „Hesse wie wir“, die Besucher singen natürlich mit, und die geforderte Zugabe gestaltet Napp mit seinem ruhigen Song „Auf dem Weg“, einem besonderen musikalischen Leckerbissen an einem Abend voller kabarettistischer Sahnestückchen.
Wiederholung geplant
„Die zweite Kleinkunstwoche war ein voller Erfolgt,“ freute sich Bürgermeister Eike See. Mehr als 800 Besucher haben die sechs Veranstaltungen besucht. Ohne die breite Unterstützung wäre es jedoch nicht möglich die Reihe zu realisieren. „Ich danke allen Ehrenamtlichen, die zum Gelingen der Kleinkunstwoche beitragen, aber auch unserem Team aus der Verwaltung und den Objektbetreuern, ohne deren Engagement die Veranstaltung nicht so realisiert werden könnte,“ so See. Auch dem Land Hessen und den lokalen Sponsoren sprach See seinen Dank aus. Die Kleinkunstwoche wird vom Land Hessen im Rahmen des Programms zur Stärkung der ländlichen Räume gefördert. Zusätzlich unterstützen verschiedene lokale Sponsoren den Druck des Programmheftes. Für das Jahr 2024 plane man erneut eine Kleinkunstwoche, die dann vermutlich in Berstadt realisiert werden soll.