Eine ernste und ungewöhnliche Veranstaltung
An einem Lagerfeuer vor der Schule begann die Lesung. Rund um das Feuer standen die Besucher. Meyer und Wächter begrüßten nur kurz. In gemütlicher Atmosphäre trugen sie einige Feuersprüche vor. Kulturbeauftragter Sebastian Göbel beendete den ersten kurzen Abschnitt mit einem Lied über „das was ist, das was kommt und das was war“.
Als alle Besucher ihre Plätze in der Mensa eingenommen hatten wurde der zweite Block der Lesung eingeläutet. Schlagartig verdunkelte sich der Raum und auf den Leinwänden waren Bilder der Bücherverbrennung zu sehen. Ein Propagandavideo mit Rede drückte die Stimmung etwas. Während im Hintergrund weiter die Flammen loderten, trugen Meyer und Wächter einen Text von Erich Kästner über die Bücherverbrennung vor. Es folgten verschiedene Texte von Degenhardt, Langgässer und Brecht. Abgeschlossen wurde der zweite Teil der Lesung mit einem Ausschnitt des Films „Welle“, der das Thema in die Gegenwart transferierte.
In einer kurzen Pause konnten sich die Besucher, darunter Bürgermeister Rouven Kötter und die Vorsitzende des Sozialausschusses Rita Rieß, über verbotene Literatur und die vorgelesenen Werke informieren. Für eine musikalische Untermalung sorgte Förderstufenleister Bardo Langsdorf am Piano. Bei Wein und anderen Getränken der Cobar wurde sich rege über das Gehörte ausgetauscht.
Während der zweite Abschnitt der Lesung unter dem Motto „Anderssein-Fremdsein“ stand, ging es im dritten Teil um die Frage „Bin ich tolerant?“. Eingeleitet wurde der Programmabschnitt von Thomas Gerlach, der sich selbst auf der Gitarre begleitete. Neben literarischen Texten wurden auch kurze Zeitungsberichte und Berichte von Einzelschicksalen eingebracht. Als letztes auf dem Programm stand die Kurzgeschichte Spaghetti für zwei von Frederica de Cesco. In der Geschichte wird erzählt, wie es dazu kommt, dass sich zwei fremde Menschen das Mittagessen vom selben Teller teilen. Zu Beginn der Geschichte erfährt der Leser, dass Heinz ein recht arroganter Teenager ist. Nach der Schule geht er häufig auswärts essen. Er bestellt sich eine Gemüsesuppe in einem Schnellrestaurant, und lässt diese kurz unbeaufsichtigt zurück. Nach der Rückkehr stellt er fest, dass an seinem Platz ein schwarzer Junge seine vermeintliche Suppe verspeist. Er vermutet, dass der Fremde ein armer Asylbewerber ohne Deutschkenntnisse oder obdachlos sei. Um wenigstens satt zu werden beschließt er, demonstrativ vom selben Teller zu essen. Nachdem das Gericht leer gegessen wurde, stutzt Heinz. Seine anfängliche Vermutung, der andere Junge habe kein Geld, stellt sich als falsch heraus, da dieser aufsteht und mit einer Portion Spaghetti sowie zwei Gabeln zurückkehrt. Das wortlose Angebot nimmt Heinz an. Schließlich stellt sich heraus, dass Heinz selbst den Fehler begangen hat, als er bemerkt, dass seine eigene Suppe unberührt auf dem Nebentisch steht. Er hat sich von seinen eigenen Vorurteilen blenden lassen. Nach der amüsanten Geschichte wurde der Abend von Schulleiter Thomas Gerlach an Gitarre und Gesang, Konrektor Thomas Küchenmeister an der Mandoline und Förderstufenleiter Bardo Langsdorf mit dem Stück Griechischer Wein abgeschlossen. Sowohl thematisch, als auch als Einladung zum geselligen Austausch im Anschluss war der Schlager sehr gut gewählt.
Die Veranstaltung wurde gemeinsam von Gemeinde, Förderverein und Schule realisiert. Der Lokale Aktionsplan BUNTerLEBEN hat die Veranstaltung finanziell unterstützt. Wer eine Rede vorbereitet hatte, der verwarf den Gedanken daran schnell. Meyer und Wächter leiteten von der Geschichte bis zu aktuellen Situationen über. Sie zeigten auf wozu Hass, Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung führen können. Dabei haben sie keine Gegebenheiten beschönigt, sondern haben Denkanstöße zur eigenen Position geliefert. „Das Konzept der Lesung war vom Anfang bis zum Ende geschlossen und stimmig. Dem war nichts mehr hinzu zu fügen. Ich danke Herbert Meyer und Gerd Wächter, dass sie auch in diesem Jahr eine Lesung realisiert haben.“ so Bürgermeister Rouven Kötter. Auch Eike See, der Vorsitzende des Fördervereins der Wölfersheimer Schulen, richtete seinen Dank aus. „Ich hatte mir eine Rede vorbereitet, weil mir das Thema sehr am Herzen liegt. Im Alltag begegnet uns immer wieder unterschwelliger Rassismus. Die Vorurteile und Ängste sind oft groß, und aus Unwissen oder oftmals auch Dummheit entstandene Stammtischparolen machen die Runde. Den Worten der beiden Leser war jedoch nichts mehr hinzu zu fügen.“ berichtet See.
Die Bücher der Lesung werden in der Gemeindebücherei erhältlich sein. Sie wurden mit Mitteln des lokalen Aktionsplans angeschafft. Wie Bürgermeister Rouven Kötter mitteilt, plane man für das kommende Jahr ebenfalls Lesungen. Im Rahmen des Programms „Wölfersheim liest“ sollen durch verschiedene Veranstaltungen, wie bspw. Lesungen und eine Attraktivitätssteigerung der Wölfersheimer Bücherei, sollen die Bürgerinnen und Bürger und insbesondere die Kinder und Jugendlichen wieder vermehrt für Bücher, spannende Geschichten und das Lesen längerer, sprachlich ausformulierter Texte begeistert werden. Als ersten Versuch soll zu Beginn des Jahres ein Tauschregal für Bücher im Bürgerbüro der Gemeinde aufgestellt werden.