Ehrlich kann gefährlich sein – Michael Eller bei der Kleinkunstwoche
Ob der „Noch55-Jährige“ bei seinem Auftritt im Rahmen der Wölfersheimer Kleinkunstwoche in der „zur Kleinkunstbühne leicht umgestalteten Berstädter Mehrzweckhalle“ (Bürgermeister Eike See in seiner Begrüßung) immer ehrlich war, das blieb letztendlich offen.
Seine Beteuerung, dass ein Großteil seiner Geschichten tatsächlich „so und ganz genauso“ passiert sind, nahm das Publikum hin und amüsierte sich köstlich über den Wahl-Mainzer, der mit seiner Wortgewandtheit ebenso überzeugte wie mit seiner ausdrucksstraken Präsentation und seiner Spontanität.
“Das war halb lebhaft,“ kommentierte Eller den Auftrittsapplaus der Besucher und ließ sich bei dem von ihm inszenierten zweiten Versuch feiern. „Das wird was, ich reiß mir ein Bein aus, damit es ein toller Abend mit Euch wird“, so Eller, der sich beim Publikum die Erlaubnis holte, diese „zu Euchen“.
Tatsächlich wurde es ein sehr unterhaltsamer und abwechslungsreicher Abend, wobei der Stand-up-Comedian immer wieder einmal seine Erfahrungen aus mittlerweile 74 Auftritten auf Kreuzfahrtschiffen ebenso einfließen ließ, wie seine Erlebnisse als Versicherungskaufmann vor seinem professionellen Einstieg in den Kabarettbereich vor 20 Jahren.
Seitdem tingelt er auf „salzhaltigem Wasser“ (Eller) ebenso wie durch den gesamten deutschsprachigen Raum.
„Ich treffe in Hamburg auf Hamburger, in Frankfurt auf Frankfurter und in Lübeck auf keinen Spaß“, bekennt der Komiker. Ob das nun ehrlich oder doch etwas geflunkert ist, bleibt ebenso offen wie seine angebliche große Liebe zu Wien und dem Wiener Humor, den er als nicht immer politisch korrekt bezeichnet.
Dabei begeistert er mit Wiener Schmäh ebenso wie mit Kostproben des Dialekts der Schweizer, die seiner Meinung nach ein schweres Publikum seien, denn „die Schweizer lachen zeitversetzt.“ Eller verdeutlicht mit viel Humor und kleinen Beispielen ebenso die Differenzen zwischen deutschem und holländischem Humor.
Er erklärt den Besuchern, „wie man mit Humor Dinge aushebeln kann.“ Ob man dabei immer ehrlich sein muss, das beantwortet der Komiker bewusst nicht. Stattdessen hält er ein kurzes Statement zum Umgang mit der Ehrlichkeit: „Es wäre eine schwere Welt, wenn wir alle grundsätzlich und immer ehrlich wären.“
Als Beispiel nennt er die Auswirkungen und Folgen der Corona-Pandemie, gerade für ihn als Künstler für den „Comedy Beruf und Berufung zugleich ist.“ Das nehmen ihm die Besucher sofort ab, ebenso wie seine Betrachtungen zum „Schlange stehen“ oder zu seinen Auftritten in Open-Air-Kinos vor Autos. „Ich habe zuhause vor der Waschmaschine geübt“, verkündet Eller.
Ob das der Wahrheit entspricht, ist eher zweitrangig, dem Publikum jedenfalls gefällt’s, was diese immer wieder mit Zwischenapplaus und unzähligen Lachern quittieren. Und die sind durchweg ehrlich, weil spontan.
Hin und wieder geht Eller auch einmal etwas runter auf „Kreuzfahrt-Niveau“, wie bei seiner Verabschiedung in die Pause: „Trinkt viel Alkohol, damit ihr den zweiten Teil ertragt.“ Das war einmal mehr nicht ganz ehrlich, gefährlich allerdings auch nicht.
Gefährlicher wird es für Comedians bei Witzen über Randgruppen. Eller dazu: „Die Menschen sind schwieriger geworden. Ich darf nur noch Witze über Dicke machen.“ Eine Randgruppe sind für den „Auch-noch-immer-Raucher“ die Menschen, die dem Nikotin frönen, was auch Vorteile hatn, so Eller: „Raucher sind kommunikativ. Beim Rauchen vor der Tür kommt man sofort ins Gespräch.“
Mit seinen - oft skurrilen – Erfahrungen auf Langstreckenflügen und bei Kreuzfahrten in der Karibik beendet Eller seinen weniger gefährlich ehrlichen, dafür aber unterhaltsamen und fröhlichen Auftritt, um vor der Zugabe einmal ernst zu werden: „Ich sage Danke an die Gemeinde, an Sebastian, Vanessa und ihr Team, an Michael am Ton und an Euch, dass ihr gekommen seid. Was ihr hier macht ist für uns Kleinkünstler so wichtig.“ Das war absolut ehrlich. Und ungefährlich.