Anwohnerentscheid zur Singbergschule - Vorerst keine Einbahnstraße

Vor etwa einem Jahr knallten in Wölfersheim bei vielen Leuten die Sektkorken, als die Singbergschule eine Oberstufe genehmigt bekam. Auch im Wölfersheimer Rathaus war man begeistert, hatte man doch zuvor jahrelang mit vielen Mitstreitern für diese gekämpft. Ein so umfangreiches und qualitativ hochwertiges Bildungsangebot hat es für die Kinder aus Wölfersheim und Umgebung noch nicht gegeben. Nach dem ersten Jubel begann auch direkt die Arbeit an der Umsetzung: Gemeinsam mit dem Wetteraukreis als Schulträger wurde eine enge Kooperation vereinbart, um Raum für die neuen Schulklassen zu schaffen. Die alte Grundschule in der Wingertstraße wurde renoviert und die Planungen für einen Neu- und Umbau der Singbergschule laufen auf Hochtouren. Von Beginn an wurde seitens der Gemeinde betont, dass man sich frühzeitig um die zu erwartenden Verkehrsströme und den Parkbedarf der Oberstufe kümmern wolle. Neben den zahlreichen Schülern der Jahrgangsstufen 12 und 13 werden auch zusätzliche Lehrkräfte mit dem PKW auf den Wölfersheimer Singberg kommen.
21.01.20 / Gemeinde Wölfersheim

Damit das dortige Wohngebiet nicht

verkehrstechnisch kollabiert, wurde ein Verkehrskonzept erarbeitet und

jüngst den Anwohnern im Rahmen einer Versammlung in der Singbergschule

präsentiert. Bürgermeister Rouven Kötter hatte seinen Verkehrsexperten

Thorsten Höhne in den vergangenen Monaten mit einem umfangreichen

Arbeitsauftrag versehen: Über mehrere Wochen wurde der Verkehr auf den

Zufahrtsstraßen durch versteckte Zählungen erfasst und ausgewertet.

Außerdem wurden alle Anwohner mit Hilfe eines anonymen Fragebogens über

die Verkehrssituation in die Entwicklung eingebunden. „Die

Erfolgsgeschichte Singbergschule soll nicht zur Leidensgeschichte für

die betroffenen Anwohner werden.“ leitete Wölfersheims Bürgermeister

Rouven Kötter die Anwohnerversammlung ein. „Es ist kaum zu vermeiden,

dass durch die Oberstufe mehr Verkehr zur Singbergschule kommt. Das zu

verleugnen wäre Augenwischerei. Es ist uns daher sehr wichtig,

frühzeitig und gemeinsam mit den betroffenen Anwohnern nach Lösungen zu

suchen, um die Belastungen so gering wie möglich zu halten.“ Dies

unterstrich auch Schulleiter Thomas Gerlach, der die Umbauplanungen auf

dem Singberg-Campus vorstellte und die große Bedeutung für Wölfersheim

betonte.

Die Ergebnisse der mehrwöchigen Verkehrsbeobachtung und der

Umfrage waren allerdings eindeutig: Was eine große Freude für die

Mehrheit der Bevölkerung darstellt, treibt vielen Anwohnern die

Sorgenfalten ins Gesicht. Ein Großteil der Anwohner fühlt sich schon

jetzt vom durch Schule und Kindergarten verursachten Verkehr gestört. An

den Wochenenden und in den Ferien stört der Verkehr nur sehr wenige.

Die Hauptlast des Verkehrs aus Schule und Kindergarten trägt die durch

bauliche Maßnahmen verengte Wingertstraße mit etwa 1.000 Fahrzeugen

zwischen 6 und 22 Uhr. Gemeinsam mit dem Wetteraukreis plant die

Gemeinde Wölfersheim einen großzügigen Parkplatz oberhalb der

Singbergschule im Bereich der Steingasse zu errichten. Diese Straße ist

die zweite Möglichkeit, um auf den Singberg zu gelangen. Durch diese

Maßnahme ist zu erwarten, dass sich Teile des Verkehrs von der

Wingertstraße in die Steingasse verlagern. Außerdem wird der

Kindergarten in der Wingertstraße geschlossen und weicht einem Neubau im

Bereich der Friedensstraße, also in einem gänzlich anderen Bereich des

Ortsteils Wölfersheim. Dadurch fallen mehr als 100 Fahrten pro Tag in

der Wingertstraße weg. Ordnungsamtsleiter Thorsten Höhne berichtete

außerdem von großen Problemen im Bereich der Bushaltestelle, die

teilweise völlig verantwortungslos von abholenden Eltern zugeparkt

würde. Gleiches wussten auch einige Anwohner von ihren Einfahrten zu

berichten. Einige Bürger nutzten die Versammlung, um ihrem aufgestauten

Frust einmal Luft zu verschaffen. So wurde von kaputtgefahrenen

Bürgersteigen, zugeparkten Ausfahrten, uneinsichtigen Eltern, Lehrern

und Erzieherinnen sowie Sorgen um den Zustand der Straßen gesprochen.

Die Baumaßnahmen an der Singbergschule und der damit verbundene

Schwerlastverkehr wurde ebenfalls von einzelnen Anliegern kritisiert, da

sie in der Folge straßenbeitragspflichtige Sanierungen befürchten. Ein

Anwohner beschwerte sich gar über die erfolgte Umfrage: Die Gemeinde

solle ihre Arbeit selbst machen und nicht auf die Bürger verlagern.

Dieser Meinung wollten sich die anderen Teilnehmer der Versammlung

allerdings nicht anschließen und Bürgermeister Kötter, der in dem

betroffenen Gebiet aufgewachsen ist, widersprach deutlich: „Es ist nicht

unsere Art und unser Stil, Entscheidungen alleine im stillen

Rathauskämmerchen zu treffen und dann den Bürgern hoheitlich zu

verkünden. Wir wollen Entscheidungen gemeinsam mit den Menschen

vorbereiten, die hinterher auch damit leben müssen. Wem das nicht passt,

der muss an solchen Bürgerbeteiligungsprozessen nicht teilnehmen.

Niemand wird gezwungen, seine Meinung zu sagen, aber wir wollen jedem

die Möglichkeit dazu geben und zwar im Vorfeld von Entscheidungen und

nicht hinterher, wenn alles zu spät ist.“ Insgesamt waren die Beiträge

jedoch konstruktiv und durchaus nachvollziehbar. „Die Wohnbereiche rund

um die Singbergschule sind von dem erheblichen Verkehrsaufkommen stark

betroffen, das ist nicht zu leugnen. Es ist absolut nachvollziehbar,

wenn man sich als Anlieger darüber ärgert. Genau deswegen findet diese

Versammlung und dieser aufwendige Beteiligungs- und Analyseprozess

statt. Wir wollen die absehbar mehr werdenden Belastungen so

anwohnerfreundlich wie möglich gestalten.“ so Kötter.

Nach der

Vorstellung der Ergebnisse von Umfrage und Messung sowie der bereits in

Umsetzung befindlichen Planungen, stellte Bürgermeister Kötter zwei

mögliche Vorgehensweisen zur Abstimmung. Variante 1 war die testweise

Einrichtung einer Einbahnstraße in der Wingertstraße, wie es von einigen

Anwohnern im Rahmen der Umfrage vorgeschlagen wurde. Variante 2 sah

vor, zunächst die Schaffung des großen Parkplatzes und den Umzug des

Kindergartens und die damit verbundenen Verkehrsverlagerungen

abzuwarten. Kötter selbst plädierte dafür, zunächst auf den Testbetrieb

einer Einbahnstraße zu verzichten und stattdessen die absehbaren

Auswirkungen der Baumaßnahmen abzuwarten. Diesem Vorschlag folgte die

Versammlung mit großer Mehrheit. Ordnungsamtsleiter Thorsten Höhne

zeigte sich damit sehr zufrieden und sicherte zu, verstärkte Kontrollen,

insbesondere des ruhenden Verkehrs, umzusetzen. „Es ist absolut

sinnvoll, zunächst die Veränderung des Verkehrs abzuwarten und dann die

weiteren Schritte zu besprechen. Bis dahin werden wir verstärkt den

ruhenden Verkehr kontrollieren und auch unseren Blitzer einsetzen. Ich

freue mich, dass so viele Anwohner konstruktiv mitarbeiten und sichere

meine Unterstützung bei Schwierigkeiten und Problemen zu.“ so Thorsten

Höhne am Rande der Versammlung.

Neben dem scheidenden Schulleiter

Thomas Gerlach war die Schulleitung durch Renate Schäfer und Thomas

Küchenmeister vertreten. Auch die Elternschaft zeigte in

Elternbeiratsvorsitzendem Thomas Seeling Flagge. „Das unterstreicht, wie

wichtig der Schulgemeinde eine gute Nachbarschaft ist.“ stellte Rouven

Kötter fest. Er betonte außerdem die Bedeutung der Schulen für

Wölfersheim: „Die Gemeinde Wölfersheim ist nicht Schulträger, aber wir

wissen, wie wichtig die Jim-Knopf-Schule und die Singbergschule für die

Attraktivität unserer Gemeinde als Wohnstandort ist. Ohne gute

Kinderbetreuung und Bildung hat eine Gemeinde keine Zukunft. Deswegen

sind uns diese Themen besonders wichtig.“ Daher gab es im Wölfersheimer

Rathaus eine organisatorische Aufgabenbündelung: „Unsere Unterstützung

der Wölfersheimer Schulen ist sehr vielfältig und betrifft nahezu alle

Bereiche unserer Verwaltung. Um hierbei den Überblick zu bewahren und

die verschiedenen Aufgaben und Themen besser aufeinander abzustimmen,

wurde unser Finanz-Fachbereichsleiter Eike See zum ‚Schulkoordinator‘

ernannt. Als Vorsitzender des Fördervereins Wölfersheimer Schulen kennt

er alle Beteiligten und auch die Bedürfnisse und Örtlichkeiten

hervorragend. Er wird den Schulgemeinden als kommunaler Ansprechpartner

dienen und intern das umfangreiche Thema ‚Schule‘ im Rathaus

verantworten und koordinieren.“ erläutert Verwaltungschef Kötter.

Schulkoordinator Eike See freut sich auf seine zusätzliche Aufgabe: „Ich

beschäftige mich seit Jahren ehrenamtlich mit der Weiterentwicklung und

Unterstützung der Wölfersheimer Schulen. Sehr gerne werde ich als

Ansprechpartner der Gemeinde für die Schulleitungen, Eltern- und

Schülervertreter zur Verfügung stehen. Bildung ist unsere wichtigste

Zukunftsressource, es freut mich, wenn ich meinen Teil zur

Zukunftssicherung hier in unserer Gemeinde beitragen kann. Die

Anwohnerversammlung hat gezeigt, wie wichtig es ist, dabei auch die

Bedürfnisse der Schulnachbarn zu berücksichtigen.“

Dass die

meisten Anlieger sich über die Möglichkeit der Beteiligung freuten und

auch dankbar dafür waren, im Rahmen einer solchen Versammlung

Kritikpunkte und Probleme offen ansprechen zu können, zeigte der

Schlussapplaus mit dem die Vertreter der politischen Gemeinde und der

Schulgemeinde nach rund zwei Stunden in den wohlverdienten Feierabend

geschickt wurden.