Jüdische Geschichte - ehemaliges Wohnhaus von Rudolf Bär
Das giebelseitig zur Straße stehende Gebäude stammt aus dem Jahre 1661.
Die Fachwerkinschrift lautet: DIESER BAVW STEHET IN GOTTES HANT JOHANNES BRICKMAN IST ERGENANT ANO ? 61 IST DIESER AVF GERICHT WORDEN DEN 15. TAG.
Später gelangte das Hausin den Besitz von Julius Philippi. Dieser war in Wohnbach Besitzer der Sandkaute und Fuhrunternehmer. Er fuhr mit vier Vierspännern. Sein Anwesen in der Münzenberger Straße 4 ging 1911 in Besitz von Rudolf Bär und dessen Frau Ida über.
Letzter Vorsteher der jüdischen Gemeinde war Rudolf Bär, der im KZ Buchenwald ermordet wurde. Seine Frau Ida, geb. Meyer, und seine gleichnamige Schwester überlebten das KZ Theresienstadt. Die Ehefrau des Rudolf Bär unterschrieb danach ihre Briefe mit dem Zusatz: "Ich, die ich in Theresienstadt gewesen bin."
In der sich verschärfenden Situation der 30er Jahren hatte sich Rudolf Bär auch zumindest sich in Berstadt um die verbliebenen Mitglieder der dortigen jüdischen Gemeinde gekümmert bzw. um deren Erbe. Eine harmlose Episode verdeutlicht die Unmenschlichkeit dieser Zeit. Der Wirt der Gaststätte Zur Traube in Berstadt, W. S., spielte mit dem Rudolf Bär, dem Fahrradhändler O. B. und dem Schuhmacher K. P., was von einer Frau aus der Bäckergasse in Berstadt verpfiffen wurde und zur Verhaftung der Beteiligten führte. S. und P. soll man ins KZ Dachau gebracht haben.
Die jüdische Gemeinde in Wohnbach gehörte im 19. Jahrhundert mit Obbornhofen und Bellersheim zum liberalen Provinzrabbinat in Gießen. Synagoge und Friedhof für die jüdische Gemeinde zu Bellersheim, Obbornhofen und Wohnbach befanden sich in Obbornhofen. Der jüdischen Gemeinde zu Wohnbach erlaubte man 1888 für ihre elf Kinder den Religionsunterricht im historischen Rathaus abzuhalten.
Die Zahl der jüdischen Gemeinde zu Wohnbach betrug 1828 und 1830 insgesamt 40 Personen, 1872 waren es 41, 1900 und 1905 dann 38 Personen, insgesamt sieben Familien, davon zwei Fruchthändler, drei Spezereihändler und ein Pferdehändler. 1910 lebten in Wohnbach 36 Juden, 1925 waren nur noch 17 Einwohner jüdischen Glaubens.
[Eugen Rieß]